Gasschieber - Testversuche

Benzingespräche rund um das Motorrad und das Motorradfahren. Bitte keine technischen Probleme hier posten.

Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 23.05.2021, 14:33

Ich hab überlegt, wie man prüfen kann, ob die Unterdruckgasschieber korrekt arbeiten. Hier gibt es einiges, was eine Rolle spielen kann. Hier mein Versuchsaufbau mit einem Staubsauger und ein kleines Video, in dem man zwei Testmethoden sieht. Im zweiten Bild sieht man mein professionelles Videoequipement.
https://youtu.be/66yWrp0B8cI
Ich mache ein paar Tests mit unterschiedlichen Federn, auch solchen, die mal abgenickt wurden und berichte dann darüber.
Dateianhänge
B72229B1-B54A-4979-8BDE-96550379C5C2.jpeg
Prüfstand
E925FE6A-8510-47AF-8C20-3C3840BE8C1B.jpeg
Videoequipement
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Lumael » 24.05.2021, 18:48

Das hört sich wirklich interessant an. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse!
Lumael
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 25.05.2021, 11:55

Vergleich der Gasschieberfedern
Es gibt für die unterschiedlichen Leistungsstufen der CB unterschiedliche Federn https://www.cb500.net/CB500/Technische- ... ungsstufen, daneben gibt es noch die Federn aus dem Dynojet Satz, die in Verbindung mit eigenen Düsennadeln eingesetzt werden. Mit meinem „Unterdrucktester" vergleiche ich das Ansprechverhalten der Federn im Vergleich.

Im Bild sieht man:
Die Federn links (16050MY5710) ist die 34 PS Feder, sie sind etwas länger und "kräftiger" (die linke Feder von dem Paar wurde beim Einbau beschädigt)
Die mittleren Federn (16050MY5660) gehören zur 50 und 58 PS Version
Die rechten Federn gehört zum Dynojetsatz und sind am kürzesten und weichsten

Im Video sieht man das Verhalten der Schieberfedern im Vergleich. Es gibt vier Teile je 15 Sekunden:
1. 16050MY5710 16050MY5710. (Zwei gleiche Federn)
2. 16050MY5710 16050MY5660
3. 16050MY5710 Dynojet
4. 16050MY5660 Dynojet

https://youtu.be/7jX4ZNZMaxE

Man sieht, das die Federn und somit die Schieber unterschiedlich schnell reagieren.
Bei meinen versuchen erzeuge ich einen ruhigen Unterdruckverlauf. Wer bei abgenommene, Luftfilter mal die Schieber während dem Motorlauf beobachtet hat, weiß, dass die ganz schön zappeln. Das kommt durch die pulsierende Ansaugströmung. Bei Jetkits wird manchmal die Größe der Bohrungen unten an den Gasschiebern verändert. Dadurch verändert sich auch die Reaktionsgeschwindigkeit und das Pulsieren. Bei einer Vergrößerung der Bohrungen wird der Schieber schneller an die durch den Unterdruck vorgegebene Position gebracht.
Dateianhänge
1D61AA52-B331-47A3-B876-22C5FF792010.jpeg
Vergaserfedern
Zuletzt geändert von Hph am 25.05.2021, 11:55, insgesamt 3-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Lumael » 25.05.2021, 20:48

Das ist wirklich höchst interessant. Bedeutet das im Rückschluss, schwächere Federn führen zu besserem Ansprechverhalten?

Hast du bei den beiden 710er Federn einen Unterschied feststellen können, welcher auf die Beschädigung zurückzuführen ist? Eine meiner Federn hat nämlich auch etwas geknickt ausgesehen:

K1024_V30.JPG


Gruß
Zuletzt geändert von Lumael am 25.05.2021, 20:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon chaosracer » 26.05.2021, 00:59

Schöner Versuch und sehr interessant. Weiter so!
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 26.05.2021, 10:23

Lumael » 25.05.2021, 20:48 hat geschrieben:Das ist wirklich höchst interessant. Bedeutet das im Rückschluss, schwächere Federn führen zu besserem Ansprechverhalten?

Änderungen für den Fahrversuch sind schon aufwendig. Was ich schon probiert habe sind die 710 vs 660 Federn, bei einer 125 Haupt- und 40 Leerlaufdüse mit Originalfilter und original Luftfilterkasten und Originalauspuff.

Die Kombination 710 125 40 ist für mich die Referenz. Die Beschleunigung geht ruckfrei und unaufgeregt ab 2500 u/min Umdrehungen. Ab 6000 legt der Motor deutlich zu.
(Mit einer 38 Leerlaufdüse hat man erst bei 80 Grad Öltemperatur (10 Km Fahrt) ein ähnliches Verhalten, vorher wirkt es untenrum ruckelig)

Die Kombination 660 125 40 fühlt sich spürbar agiler an. Hier hat man den Effekt, das beim schnellen, weiten Gasaufziehen der Motor zu mager läuft, das merkt man daran, das die Leistungsentfaltung beim leichten Gaswegnehmen besser wird - der Unterdruck steigt dann, es kommt zu einer kurzen Anfettung. Man pumpt zum Beschleunigen ein wenig mit dem Gas. Fühlt sich aber noch gut an.

Ohne Prüfstand und nur mit dem Hintern wahrgenommen sind die Aussagen natürlich ziemlich wage.

Lumael » 25.05.2021, 20:48 hat geschrieben:Hast du bei den beiden 710er Federn einen Unterschied feststellen können, welcher auf die Beschädigung zurückzuführen ist? Eine meiner Federn hat nämlich auch etwas geknickt ausgesehen:

Ich hab Anfangs tatsächlich Unterschiede gesehen. Das kam daher, das beim Geradebiegen etwas weitere Windungen entstanden sind, dadurch hat die Feder wahrscheinlich etwas gestreift. Den Durchmesser hab ich vorsichtig über einem passenden Dorn korrigiert. (Ein Federmessgerät hab ich auch gebastelt, zeige ich noch).
Deine Feder sieht aus meiner Sicht noch gut aus.

Für meine Versuche habe ich zusätzlich zwei preiswerte Vergasersätze gekauft, da waren auch schon unterschiedliche Federn und der Dynojet Satz drin. Bei einem Vergaser waren die Federn richtig reingeknuddelt.
Zuletzt geändert von Hph am 26.05.2021, 10:23, insgesamt 6-mal geändert.
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 29.05.2021, 18:22

In der Reihe esoterisches zum CB Vergaser bin ich auf die Übergangsbohrungen gestoßen („Progressive Holes").
Drei kleine Löcher, die von der Drosselklappe beim leichten Gasgeben sukzessive freigegeben werden.
Die Öffnungen gehören zum unteren Teillastsystem und definieren den Übergang vom Leerlauf zum Bereich, in dem die Düsennadel eine Rolle spielt.
1E904461-CA67-4E0F-B274-3C9209734069.jpeg

Mit meinem Staubsaugerunterdrucktester wollte ich der Sache auf den Grund gehen.
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Der Staubsauger ist auf der Drosselklappenseite eines Vergasers angeschlossen. Der Unterdruckschlauch einer Uhr meines Synchrontesters steckt auf der Leerlaufdüse, so dass man den Unterdruck dort messen kann.
Das nachfolgende Video zeigt, was passiert, wenn man die Drosselklappe bewegt.
https://youtu.be/VTIJ3Rtfjjs

Was fällt auf:
So wie die Öffnungen freigegeben werden entsteht ein durchaus nennenswerter Unterdruck an der Leerlaufdüse, der sich wieder reduziert, wenn die Drosselklappe weiter geöffnet wird. Bei offener Drosselklappe pendelt er sich auf den Saugrohrunterdruck ein.

Ich denke, es ist schon nicht schlecht, wenn die drei kleinen Bohrungen durchlässig sind - an beiden Vergasern.
Zuletzt geändert von Hph am 29.05.2021, 18:22, insgesamt 1-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 03.06.2021, 15:43

[
Sind die Schwimmernadelventile dicht? - fragt man sich nach dem Zusammenbauen der Vergaser.

Eigentlich sieht alles ganz ordentlich aus, die Nadelventile sind intakt - sowohl der gefederte Stift, als auch die Gummispitze, auch die Ventilsitze sind sauber und ohne Kratzer. Aber ist es wirklich dicht?

Also Vergaser unten offen in eine Kiste. Benzinflasche am Kraftstoffverteiler T-Stück angeschlossen. Benzinhahn auf, so dass sich durch den Höhenunterschied ein Kraftstoffdruck bildet.

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Den Schwimmer vorsichtig angehoben bis Benzin durchs Ventil tritt, dann wieder losgelassen und geschaut ob das Ventil abdichtet.

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Von dem ganzen ein kleiner Film: https://youtu.be/kUansCQfEvE
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 12.06.2021, 17:06

Das Kaltstartsystem

Die Teilnehmer:

Das Kaltstartventil hat einen dicken zylindernförmigen Teil, der die Luftmenge regelt und eine Spitze, die die Kraftstoffmenge regelt.
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Das Kaltstartventil

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Kaltstartventil + Zubehör


Zwei Löcher, vor und hinter der Drosselklappe, durch die Luft strömen kann, wenn das Kaltstartventil betätigt wird. Bei geschlossener Drosselklappe ist der Unterdruck auf der Motorseite höher als auf der Ansaugseite. Dadurch wird Luft durch den mit Draht markierten Weg gezogen.
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Zwei Löcher vor und hinter der Drosselklappe


Durch die Kaltstartdüse, das Messingrohr in der Schwimmerkammer, gelangt Kraftstoff in die Mischkammer des Kaltstartsystems. Die Menge wird durch die Spitze des Kaltstartventils reguliert.
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Der Kraftstoffweg - geht der blauen Linie entlang


Hier trifft sich Luft und Sprit - in der Mischkammer.
Durch das linke Loch kommt die Luft, die sich dann in der Mischkammer mit dem Sprit vermischt und durch das rechte Loch als Gemisch Richtung Motor angesaugt wird.
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Die Mischkammer

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Gasschiebermembran als Abdichtung


Durch ein winziges Loch im Deckel des Gasschiebers kann der in der Mischkammer erzeugte Unterdruck an die Membran des Gasschiebers weitergeleitet werden, um diesen ein wenig zu heben. Den Effekt konnte ich im Staubsaugerversuch allerdings nicht nachvollziehen.
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Das geheimnisvolle Loch im Deckel


Man kann sich schon vorstellen, zu welchen Störungen es kommen kann:
- einer der Kanäle ist verstopft, bei den dicken Luftkanälen eher unwahrscheinlich, aber der Kraftstoffweg von der Schwimmerkammer zur Mischkammer oder das Loch im Gasschieberdeckel sind Kandidaten
- die Abdichtung des Kaltstartventils zur Betätigungsseite hin wird durch eine Gummikappe bewirkt. Wenn die Kappe beschädigt ist, wird hier "falsche" Luft angesaugt
- klar das alles sauber sein muss und das Ventil leichtgängig in seiner Führung läuft
- die Gasschiebermembran dichtet auch die Mischkammer ab, mit einer kleinen Schlaufe
Zuletzt geändert von Hph am 12.06.2021, 17:06, insgesamt 6-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Lumael » 12.06.2021, 17:32

Super Beitrag. Danke!
Lumael
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Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 13.06.2021, 17:31

Die kleine schwarze Dichtung am Kaltstartventil

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Kaltstartventil Dichtung


Was passiert, wenn diese Dichtung ihre Aufgabe nicht mehr richtig erfüllt?

Dazu gibt es mit meiner Staubsaugerversuchsanlage einen Testaufbau.
Ein Unterdruckmanometer (das linke) wird auf der Ansaugseite angeschlossen, das zweite von links mit einem Schlauchadapter auf die Dichtung aufgesetzt, dort wo der Schaft des Kaltstartventils herrausragt.

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Hier wird gemessen

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Druckverlust an der Dichtung


Man sieht, das zwischen Schaft des Kaltstartventils und Dichtung "falsche" Luft angesaugt wird. Sowohl Dichtung als auch Schaft waren in diesem Versuch beschädigt.

Welche Störungen können dadurch entstehen:
- Im Leerlauf und im Bereich in dem die Drosselklappe nur ein wenig geöffnet ist kann sich das auf die Gemischzusammensetzung auswirken, zum mageren hin.
- bei betätigtem Choke geht hier Unterdruck verloren, der Eigentich für die Kaltstartdüse in der Schwimmerkammer gedacht war und die Gemischanreicherung ist zu gering.

Wahrscheinlich ist der Effekt kaum zu spüren, aber wenn man das Gefühl hat, die Vergaser lassen sich nicht richtig synchronisieren oder das Standgas schwankt kann hier eine Ursache liegen.

Was kann man tun (wenn es einem langweilig ist):
Neues Kaltstartventil von Honda: https://www.bike-parts-honda.de/honda-m ... 6046MY5850

Oder als Workaround kann man die Welle des Anlassventils polieren, eingefetten und zusätzlich mit einem kleinen O-Ring 3x1 versehen, der dort gut gleitet.
An den Bilder kann man erkennen, wo der O-Ring sitzen soll, zwischen schwarzer Kunststoffführung und Gummidichtung. Der O-Ring wird vom Unterdruck regelrecht an die Dichtfläche angesaugt. Der Staubsaugerversuch hat bei mir dann keinerlei Druckverlust mehr gezeigt.

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zusätzlicher O-Ring

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Hier sitzt er auf der Welle
Zuletzt geändert von Hph am 13.06.2021, 17:31, insgesamt 2-mal geändert.
Hph
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Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 14.06.2021, 19:14

Die Schwimmerkammerbelüftung

In der Schwimmerkammer sollte atmosphärischer Druck herrschen. Damit dieser entstehen kann oder erhalten bleibt, gibt es zwei Löcher oben in der Schwimmerkammer, deren Kanäle in dem dünneren schwarzen T-Verbindungsrohr münden, das zwischen den Vergasern sitzt und auf jeder Seite mit einem O-Ring abgedichtet wird.

Im Bild sieht man an den blauen Kabeln, wo die Löcher sind und wo sich der Druck letztendlich ausgleicht. Im zweiten Bild kann man am Gehäuse kann man dem Verlauf des Kanals folgen.

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Schwimmerkammerbelüftung, Öffnungen

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Hier gehts lang


Welche Störungen können auftreten:
- wenn die Öffnungen radikal verstopft sind bildet sich in der Schwimmerkammer ein Unterdruck, der den Kraftstoffabfluß durch die Düsen hemmt.

Insgesamt halte ich Störungen hier für eher unwahrscheinlich, weil die Durchgänge doch ziemlich üppig sind.

Wozu man den atmosphärischen Druck in der Schwimmerkammer braucht sieht man, wenn man sich mit den Düsen und dem Spritdurchfluß näher beschäftigt.

Ich hoffe, ich langweile hier nicht zu sehr, man findet ja alles zu Vergasern im Internet - aber nicht unbedingt auf die CB500 bezogen. Das Vergasersystem hier ist zwar einfach gehalten, aber immer noch komplex genug. Viele Störungen die hier im Forum beschrieben werden, gehen auf Vergaserprobleme zurück.
Gerade habe ich ein Vergaserwiederbeleungsvideo in der Mache, dauert aber noch ein wenig, solange gibt es noch ein paar sinnfreie Beiträge.
Zuletzt geändert von Hph am 14.06.2021, 19:14, insgesamt 1-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hondareiter » 14.06.2021, 21:23

Hallo Hans Peter
Nein das ist nicht langweilig, Du machst hier einen schönen Vergaser Treat
und alle im Forum werden schlauer und lernen noch etwas.
Das Du weisst wie ein Vergaser funktioniert, das habe ich sofort gemerkt.
Mach weiter, es ist für alle Interresant und lehrreich. :up:
Gruss Christian
Hondareiter
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon chaosracer » 14.06.2021, 22:54

Sehr schöner Beitrag Hans Peter! Das finde ich auch.
chaosracer
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 15.06.2021, 07:38

Danke!

Das Interessante an Vergasern ist:
Sie funktionieren auch, wenn man sie nicht versteht. Aber manchmal funktionieren sie nicht, obwohl man sie versteht.
Zuletzt geändert von Hph am 15.06.2021, 07:38, insgesamt 1-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Chickenmarkus » 15.06.2021, 08:58

Auch von meiner Seite aus verfolge ich den Thread mit großem Interesse! Flyingbrick hatte zwar mal ein Schnittmodell des Vergasers der CB500 erstellt und zu einem Forumtreffen mitgebracht, aber das ist nun schon knapp 10 Jahre her und entsprechend blass bis non-existent meine Erinnerung. :D
Chickenmarkus
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 16.06.2021, 13:54

Wie kommt der Sprit in den Vergaser - Teil 1

Ganz einfach, durch den Benzinschlauch - aber wie gehts dann weiter …

Der Zulauf kommt über das braune Kunststoff T-Stück, das auf beiden Seiten mit einem O-Ring abgedichtet ist. Der Sprit kommt dann über den Ventilsitze des Schwimmernadelventils in die Schwimmerkammer.

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Hier geht der Sprit entlang


Am Ventilsitze sieht sieht man sogar eine kleine Beschriftung: 2.8 und das Keihin Symbol. Die 2.8 ist der Durchmesser der engsten Stelle in mm. Unten sieht man noch die Anfasung.

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Da steht ja was drauf


So sieht der Sitz mit dem Schwimmernadelventile drin aus, das mit seiner Gummispitze abdichtet und mit seinen 4 Flanken geführt wird. Dem ist ein eigener Beitrag gewidmet.

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Sitz mit Ventil


Da wo es reingeht sieht man ein kleines Filtersieb, das mit dem Sitz verbunden ist. Leider kann man bei der CB den Ventilsitze nicht tauschen, der ist eingepresst.

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Jetzt wird gesiebt


Bei meiner alten AfricaTwin läßt sich der Ventilsitz tauschen - wie praktisch. Hier ist übrigens eine 2.0 draufgestempelt.

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Ventilsitz AfricaTwin(RD04)


Welche Störungen können hier auftreten:
- das Einlaufsieb ist verschmutzt
- der Ventilsitz ist verschmutzt oder beschädigt, so dass das Ventil klemmt oder nicht richtig abdichtet



Die O-Ringe im Vergaser

Die Vergaser enthalten eine Anzahl von O-Ringen, die man zumindest genauer unter die Lupe nehmen sollte. Im nachfolgenden Bild sieht man die verschiedenen Typen die zum Einsatz kommen und deren Größe, die ich so gut es geht gemessen habe.

DB0FC604-EFC1-46DB-B0F9-520725B2C3B5.jpeg
O-Ringe in den Vergasern


Beim Nachkaufen kann man die Sets von Honda verwenden.
Verbindungsrohre zwischen den Vergasern:
https://www.bike-parts-honda.de/honda-m ... 6039MZ1790
https://www.bike-parts-honda.de/honda-m ... 6040MZ1790
Vergaserdichtungssatz, wird 2x benötigt:
https://www.bike-parts-honda.de/honda-m ... 6010MZ5920 (enthält auch Schwimmerkammer und Lufttrichter Dichtungen)

Oder den Keyster Satz, der auch Düsen enthält:
https://www.motorradbay.de/cb500_pc26__ ... 000-2.html

Man kann auch versuchen, qualitativ hochwertige O-Ringe einzeln zu kaufen. Fragt sich nur aus welchem Material.
Der klassische O-Ring ist aus NBR 70, das in hinreichendem Maß temperatur-, mineralöl- und benzinbeständig ist.
Leider sind im Sprit heute Bestandteile (Ethanol), die NBR angreifen, bzw. quellen lassen können - so liest man es zu mindest.
Eine Alternative ist Viton, das zusätzlich ethanolbeständig ist.

Beim Material ist das Wissen nur angelesen, vielleicht ist ein Fachmann unter euch.
Für Anregungen bin ich dankbar, auch was die Maße angeht. Vielleicht hab ich noch einen O-Ring übersehen, den man ergänzen kann.
Zuletzt geändert von Hph am 16.06.2021, 13:54, insgesamt 8-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 18.06.2021, 08:21

Das Schwimmernadelventil

Es dient, zusammen mit dem Schwimmer, der Regulierung des Kraftstoffniveaus in der Schwimmerkammer.

Bei der CB ist es ein kleiner Stift mit Alukörper der 4 axiale Gleitflanken hat. Die Spitze ist aus einem gummiähnlichen Material und am Ende hat er einen Stift, der sich gegen eine Feder ca. 1mm eindrücken läßt.

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Schwimmernadelventil


Der Schwimmer drückt das Ventil über einen Hebelarm nach oben in den Sitz, durch das gefederte Ende kann eine Vorspannung in den Ventilsitz hinnein erzeugt werden.

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Die Schwimmernadel steht nach oben


Hier sieht man, so gut es das Foto zulässt, den Einbau im Vergaser.

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Die Aufhängung im Vergaser


Welche Störungen können auftreten

  1. das Ventil klemmt im Sitz:
    zu hoher oder zu niedriger Füllstand, Überlaufen der Schwimmerkammer
  2. Die Feder ist blockiert:
    Zu niedriger Füllstand, Gemischabmagerung
  3. Die Gummispitze ist beschädigt:
    Zu hoher Füllstand und garantiertes Überlaufen
    E3696786-8F9E-4414-86F2-48F4B16BAC88.jpeg
    Beschädigte Spitzen

Beim geringsten Zweifel sollte man die Schwimmernadelventile tauschen. In den Reparatursätzen, z.B. Keyster sind welche dabei, ich würde, wann immer möglich, Originalteile nehmen, den Keystersatz diskutiere ich noch in einem eigenen Beitrag.

Der Schwimmer - ist zum Glück hier nicht einstellbar

Die nachfolgenden Bilder zeigen zwei CB Schwimmer auf einer Waage. Die Form ist am Stück aus Kunststoff gegossen und hat keinerlei Einstellmöglichkeiten. Das Nadelventil ist in einer Lasche beweglich eingehängt.

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6,45 Gramm

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6,49 Gramm


Der Schwimmer reguliert zusammen mit dem Nadelventil das Kraftstoffniveau in der Schwimmerkammer. Der Füllstand soll nicht zu hoch sein, vor allem, damit die Schwimmerkammer nicht überläuft und auch nicht zu niedrig. Ob man es glaubt oder nicht, vom Füllstand hängt in einem gewissen Maß auch die Zusammensetzung des Gemisches ab. Bei einem tieferen Brunnen brauche ich auch mehr Aufwand (Energie), um das Wasser herauszuschöpfen. Der Unterdruck im Saugrohr des Vergasers liefert ein gewisses Maß an Energie und je nach dem, wie tief der Brunnen ist, wird mehr oder weniger Sprit nach oben befördert. Um zu sehen, wie stark der Effekt ist müsste man der Bernoulli Gleichung entlang rechnen - das wollen wir uns (vorerst) nicht antun.

Welche Störungen können austreten:

  • Der Schwimmer ist beschädigt und läuft voll:
    Füllstand zu niedrig, Gemisch zu mager oder es geht gar nichts.
    Man kann die Schwimmer wiegen oder schütteln - hier bei der CB ganz unkritisch
  • Die Führung für die Schwimmernadel ist rauh oder aufgequollen:
    Habe ich in einem Thread auf einem Bild gesehen. Hier sieht es so aus, als ob der Schwimmer in Salzsäure gekocht wurde.
    viewtopic.php?f=39&t=16014&start=20#p319736
    download/file.php?id=12215&mode=view
Zuletzt geändert von Hph am 18.06.2021, 09:26, insgesamt 2-mal geändert.
Hph
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Lumael » 18.06.2021, 08:27

Super informativ!!! Wie reinigt man das Sieb eigentlich, wenn man es nicht herausnehmen kann?
Lumael
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Re: Gasschieber - Testversuche

Beitragvon Hph » 18.06.2021, 18:10

Lumael » 18.06.2021, 08:27 hat geschrieben:Wie reinigt man das Sieb eigentlich, wenn man es nicht herausnehmen kann?

Leider gibt es keinen Königsweg. Man kann nur ultraschallen und durchpusten - keine spitzen Gegenstände verwenden.
Ich nehme ein kleines Ultraschallgerät, mit hoher Leistung und mindestens 70 Grad warmes Wasser.

Posting automatisch zusammengeführt: 18.06.2021, 12:08

Das untere Ende der Schwimmerkammer

Den Abschluss der Schwimmerkammer nach unten bildet ein mit drei Schrauben am Vergaser befestigter Deckel, der ab Werk mit einer eingeklebte Dichtung versehen ist.
Zum Ablassen des Sprits gibt es eine Schraube mit Spitze, die zusätzlich einen O-Ring hat. Auf den nach unten gerichteten Ablasskanal wird ein Schlauch aufgesteckt, der unters Motorrad führt und in der Schlaufe am Auspuff endet (Bei mir wegrationalisiert). Am Deckel sind zwei kleine angegossene Passstifte, die ihn zentrieren.

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Schwimmerkammerdeckel + Zubehör




Welche Störungen können auftreten:
  • Wenn etwas nicht dicht ist läuft der Sprit davon

Die eingeklebte Orginal Schwimmerkammerdichtung muss nur gewechselt werden, wenn sie beschädigt oder zu alt ist. OEM Ersatzdichtungen haben oft eine kleinere Schnurstärke und sind sehr fummlig zu montieren. Man muss dann genau aufpassen das alles wieder sitzt und die Dichtung nirgends eingeklemmt ist.

Wo steht der Sprit in der Schwimmerkammer

Im nachfolgenden Bild sieht man an der roten Markierungslinie, wo das Benzin in der Schwimmerkammer steht. Der Versuchsaufbau spricht für sich: Über die vorher angeschlossene Spritflasche hat sich die Schwimmerkammer solange gefüllt, bis das Ventil zugemacht hat. Die über einen Schlauch am Ablassventil angeschlossenen Spritze spiegelt das Niveau in der Schwimmerkammer wieder. Mit dem Lasernivellierer habe ich den Spiegel zur Schwimmerkammer übertragen - dort ist jetzt die rote Linie.

1DB057FB-EF01-42A0-8110-5D536A80F5F3.jpeg
Kraftstofflevel rot und Nadeldüsenkehle grün


Die grüne Linie im Bild markiert das Niveau der Kehlöffnung der Nadeldüse zum Venturirohr hin. Die Höhendifferenz beträgt etwa 23mm (bei meiner Messmethode würde ich eine Toleranz von +- 2mm sehen).
Was nützen uns diese Maße? Wenn der Kraftstoff von der Hauptdüse zum Auslass des Nadelventils gelangen will muss er ca. 23mm Höhenunterschied gegen die Schwerkraft überwinden. Ein Millimeter mehr oder weniger Schwimmerstand machen ca. 4% aus von 23mm aus. Das bedeutet, ist der Schwimmerstand 1mm höher kann man 4% mehr Sprit durch die Hauptdüse jagen.

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Endlich haben wir den Sprit im Vergaser drin und können uns als nächstes überlegen, wie er dem Verbrennungsprozess zugeführt wird - in der richtigen, oder zumindest in einer brauchbaren Dosierung.
Zuletzt geändert von Hph am 18.06.2021, 18:10, insgesamt 4-mal geändert.
Hph
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