Stjopa » Do 18.Jan, 2018 hat geschrieben:Sie müssen nur ein konkretes Angebot zur Wrack-Wertbestimmung vorlegen.
Nein. Was sie müssen, ist Geld bezahlen. Die Wertermittlung ist nicht Sache des Schädigers, sondern des vereidigten Gutachters.
Und über die weitere Verwendung des Fahrzeugs entscheidet allein der Eigentümer.
Nehmen wir folgende Situation an:
Dein Auto hat laut Gutachter einen Wiederbeschaffungswert von 10.000 Euro. Auch der Schaden beträgt genau 10.000 Euro, also ein Totalschaden. Der Gutachter ermittelt nun den Restwert des Wagens mit 1000 Euro, dazu befragt er auch ihm bekannte Aufkäufer der Versicherungen nach ihrem Gebot.
Nun willst Du aber das Auto, vielleicht einen Klassiker, selbst behalten und wieder aufbauen.
Die Versicherung des Schädigers kommt nun mit einem Aufkäufer der "Restwertbörse" um die Ecke. Der kauft im Jahr hundert Autos von der Versicherung auf und macht einen guten Preis, weil er noch so ein Auto hat und aus zweien eins machen will. Er bietet 2000 Euro dafür. Also schreibt Dir die Versicherung, Du sollst Dein Auto an diesen Händler verkaufen, andernfalls würde man Dir die 2000 statt der gutachterlich ermittelten 1000 Euro abziehen. Dieses Spiel läuft bei ausnahmslos jedem Totalschaden so ab.
Würde man der Argumentation folgen, ergäbe sich daraus, dass die Versicherung Dir vorschreibt, was Du mit Deinem (und nicht ihrem!) Auto zu tun und zu lassen hast. Verkauf es gefälligst, und zwar nicht an den Dir genehmen Käufer, sondern an unseren Mann. Da der Aufkäufer aber nur zeitlich befristet bereit ist, für ein Auto im Wert von 1000 Euro das Doppelte zu zahlen, würdest Du das Geld später und von anderen Käufern nicht mehr bekommen. Und das Auto hat immer noch einen Schaden von 10.000 Euro, die man hinein stecken muss, damit es wieder eben diese 10.000 wert ist.
Ich darf nicht, nur, um keine wirtschaftlichen Nachteile zu erleiden, gezwungen sein, das Fahrzeug gegen meinen Willen überhaupt zu verkaufen.
Und weiter: Der Aufkäufer weiß selbst, dass er einem sehr hohen Prozentsatz seiner Angebote gar nicht nachkommen muss. Gibt er zehn Angebote ab, verkauft vielleicht einer an ihn. Die Versicherung kann aber zehn Mal den Preis drücken. Ob sich das in einer sehr intensiven Freundschaft zwischen Versicherung und Aufkäufer ausdrückt, kann ich nicht sagen. Aber von der Hand zu weisen ist das nicht.
Mehr noch: wenn der Gutachter doch offensichtlich den Restwert viel zu niedrig geschätzt hat, weil er trotz Ingenieursstudium davon weniger versteht als ein Schadenssachbearbeiter, dann hat er sich auch beim Wiederbeschaffungswert "nach unten" geirrt. Ahnungslos, wie er als Gutachter ist, versteht sich.
Nein. Aus gutem Grund ist der Gutachter der zur Neutralität verpflichtete (!) Mittler zwischen den Parteien, die beide ihre eigenen Interessen vertreten. Sein Wort gilt, dafür ist er da. Und so sieht es auch der BGH.
Das weiß auch jede, wirklich jede Versicherung. Sie lebt aber gut damit, es immer wieder zu versuchen und einen möglichst hohen Prozentsatz der Geschädigten mit einer niedrigeren Zahlung "abzuspeisen".